Ablauf einer Wahrsagersitzung bei Akanming

(Feldnotizen vor allem während des einjährigen Aufenthalts von F. Kröger in Wiaga, 1988/89 erstellt)

 

1. Waschung: vor jeder neuen Sitzung muss der Schmutz (daung) vergangener Sitzungen abgewaschen werden. Akanming wäscht sich die Hände, die Beine, fährt mit der nassen Hand über die Haare, putzt sich die Zähne mit einem Finger und spült sich den Mund aus (Durchführung meistens nach einer Sitzung)

2. Er öffnet den Tondeckel der Dachluke des jadok-Raumes, damit sein Krokodil-jadok vom Dach in das Innere gelangen kann.

3. Er setzt sich auf den zukpaglik (Schemel), die Füße setzt er auf 2 Stücke Flusspferdhaut. Er rückt evtl. einige Instrumente zurecht

4. Der Klient legt einen Geldschein (oder ein anderes Geschenk) neben den Wahrsagerbeutel (oft schon bevor Akanming den Raum betritt).

5. Akm. nimmt eine Perlenkette mit einer dicken weißen und roten Perle, den Stoßzahn eines Warzenschweins (ngauk wen-bage) und das Beutelchen mit den 2 Tonkugeln (jibta) von der Wand und 2 Hörner von der Gabel des Wahrsagerstockes.

6. Er nimmt den eisernen Armreif mit 5 Schlaufen vom Beutelrand und legt ihn an die linke Hand.

7. Er nimmt 2 Hörner (Medizin), die Rassel und den Stock vom Wahrsagerbeutel.

8. Er hält das Medizinhorn mit der Spitze zum Eingang und tippt dann kurz mit der Spitze auf die beiden Eisenscheiben (mitunter auch auf den Stein).

9. Er rasselt kurz und leise mit der kleinen Rassel.

10. Er nimmt etwas schwarze (verkohlte) Medizin aus dem Medizinhorn, isst davon und verschließt das Horn (er schaut dabei immer zum Deckenloch); [die schwarze Medizin besteht aus den Verkohlungen folgender Teile: a) Wurzeln eines Baumes, dessen Wurzeln in einen Flusslauf münden, b) Wurzeln eines Baums von tanggbain, c) Wurzeln, die beim Ausschachten eines Grabes gefunden wurden, d) Teile des gbandoa (Bahre, auf der ein Toter transportiert wurde), e) yok-nanjung: Fliege, die man in der Nacht (nach etwa 4 Uhr) gefangen hat; alles wurde im ngoadi-Topf verkohlt].

11. Er schaut nach oben und sagt "Yaao".

12. Er schlägt mit dem Stock kurz an die Stäbe.

13. Er fast das Stabbündel (im Beutel) und spricht leise zu ihm.

Anmerkung F.K.: Dieser Tex und der von Nr. 14t (in dark Buli) ist absolutes Geheimnis und das Einzige, was Akm. dem Ethnologen nicht erklären wollte und konnte. Ich durfte die Worte auf ein Tonband aufnehmen, aber der Text ist so stark verschlüsselt, dass er ohne Hilfe des Ws. nicht enträtselt werden kann.

14. Er rasselt mit der kleinen Rassel kurz und leise (14-17 mal) und spricht leise dazu.

15. Er schlägt mit der Rassel gegen den Beutel (mitunter nimmt er auch zu diesem Zeitpunkt den Stock aus dem Beutel, mitunter bleibt er weiter im Beutel).

16. Akanming nimmt das Stabbündel (noch im Beutel) mit beiden Händen, beugt sich über den Beutel und pustet 1-2 mal hinein und spuckt dann 2 mal (mit der Medizin) hinein.

17. Er nimmt die beiden Eisenscheiben auf und spuckt einmal auf jede Scheibe.

18. Er schlägt die beiden Scheiben zusammen, hält sie auf den Boden, zieht (immer?) einen Kreis damit, hält Scheiben in die Richtung des Eingangs und legt sie wieder auf den Stein.

19. Er hält die Rassel hoch und rasselt: zuerst hin und her, dann kreisförmig, er spricht halblaut dazu; zum Schluss wird er etwas schneller

20. Er schlägt mit der Rassel an den Stein und an den Beutel

21. Der Klient hält 2 kleine Strohhalme an den Beutel und spricht dazu

22. Der Klient wirft die beiden Strohhalme durch den Eingang in den Innenhof (hierdurch wurden alle Einflüsse am Beutel aus vergangenen Sitzungen mit den Strohhalmen entfernt).

23. Der Klient hält beide Hände an den Beutel und spricht dabei.

Akanming nimmt eine zweite Rassel von der Wand: sie ist größer und lauter, er spuckt darauf

24. Er rasselt laut und rhythmisch und singt dazu, zuerst etwa 40 mal mit hochgehaltener Rassel, dann etwa 16 mal mit tiefer gehaltener Rassel; zum Schluss wird er immer schneller; der Blick ist immer auf das Deckenloch gerichtet, durch das der jadok erwartet wird

25. Er hält plötzlich ein und schaut nach oben (ca. 1 Sekunde völlige Ruhe)

Akanming zuckt zusammen

26. Er sagt: "O jaa ya" ("Er ist gekommen") oder "O paa ya" (Er hat uns erreicht; letzteres nur in einem fremden Gehöft?). Gemeint ist der jadok, der durch die Dachluke, durch die Rassel, durch Akanmings Körper (Zucken!) und später in den gegabelten Stock zieht (falls der jadok nicht kommt, wird an dieser Stelle die Sitzung abgebrochen und verschoben).

27. Akanming zeigt mit dem Stock (auf den er sich bisher gestützt hat, oder der noch im Beutel war) unter Murmeln a) nach draußen, b) berührt das geschlossene Horn, c) den Beutel, d) die kleine Rassel e) den Beutel mit den beiden Tonkugeln, f) die beiden Hörner an seinem Hals, g) an Akanmings Bauch.

28. Akanming stößt mit starkem Impuls mit dem Stock auf die Eisenscheiben, die (meistens) hoch fliegen; Akanming stößt einen halblauten hohen Schrei aus; einmal sagt ein Klient "o jaa ya" (d.h. der jadok ist in den Stock gefahren)

[28a. Manchmal wird ein Stock "blind" aus dem Beutel gezogen: er offenbart den Grund für den Besuch des Klienten]

29. Der Klient ergreift das untere Stockende (die große Rassel wird von Akanming weiter ruhig hoch gehalten)

30. Kurzes Schlagen auf die Scheiben

31. Der Klient setzt die Scheiben neu, nachdem er (meistens) gesagt hat "Ate ti ming" (dass wir wissen)

32. Der Stock berührt verschiedene Körperteile des Klienten (in jeder Sitzung verschieden), z.B. Brust, Schulter, Ohr, Hand, Bein, Penis etc.; er kann auch zwischendurch auf den Beutel zeigen, auf den der Geldschein liegt; auch schon symbolische Bewegungen: z.B. Kratzen auf dem Boden

33. Akanming schlägt mit einer Hand oder mit dem Stock an den Beutel

34. Er holt die Stäbe und losen Objekte heraus und breitet sie auf dem Boden aus.

35. Akanming rasselt kurz.

36. Der Stock sucht verschiedene Objekte heraus und legt sie je Problemfall zu kleinen Gruppen (von z.B. 3-7) zusammen; während des Suchens wird nicht gerasselt, aber Akanming hält die Rassel noch mit der linken Hand hoch.

37. Nach jedem Heraussuchen von Objekten berührt der Stab wieder Körperteile, "schreibt" Symbole auf den Boden usw.

38. (Reihenfolge nicht ganz festgelegt) Der Klient belegt die Eisenscheiben nach eigenen Vorstellungen

39. Der Stock schlägt mit Vehemenz auf die Scheiben, auf den Stein (immer: “nein”!) und auf das Fell

40. Die abgefragten Objekte werden mit dem Stock zurückgelegt; mehrmaliges Wiederholen der Vorgänge

41. Ein kurzer Rasselstoß (optativ)

42. Akanming sagt "Ku nue (ya)" oder "Be kali"

43. Der Klient klatscht in die Hände und sagt "Ni puuk" (Danke!); dies kann auch mehrmals während der Sitzung geschehen, wenn der jadok eine Anweisung gegeben hat.

44. Akanming sammelt die Stäbe auf; alles wird in den Beutel gepackt; die Hörner werden an die Astgabeln des Stockes gehängt

45. Gleichzeitig gibt er dem Klienten (erstmals) Anweisungen und Deutung, besonders wenn dieser danach fragt.

46. Akanming und der Klient begrüßen sich im ritualisierten Begrüßungsgespräch;

47. Es folgt meistens ein informelles Gespräch über familiäre Angelegenheit usw. im Wahrsagerraum.