Der ngiak-Schrein und die Tallensi-Opfergruppen


Über die im Bulsaland opfernden Tallensi-Gruppen, ihre Routen und ihre Schreine wurde bereits an anderer Stelle berichtet (Kröger 1986: 674-76). Hier soll nur kurz das Verhältnis zwischen den Tallensi und dem im Bulsa-Gehöft vorhandenen Schrein (ngiak oder tongnaab) einerseits und den Erdherren und ihren tanggbana / tengsa andererseits beschrieben werden.

Von 28 zum Thema Tallensi befragten Erdherren sagten 21 aus, dass sie keinen ngiak-Schrein besitzen und die Tallensi daher auch nicht in ihr Gehöft kommen, 8 von diesen 21 berichteten, dass die Tallensi andere Gehöfte des Einzugsbereichs ihres tanggbain bzw. teng besuchen. Von den 7 verbleibenden Erdherren mit einem ngiak-Schrein stellen allerdings 2 (Apusik Yeri in Guuta und Akanguli Yeri in Napulinsobsa) vor dem Einsetzen der Regenzeit den Tallensi ihr Gehöft als zentrale Wohnstätte zur Verfügung. In ihren Gehöften finden wichtige, auch von Bulsa-Nachbarn besuchte Opfer an den ngiak-Schrein statt.

Einige Erdherren stellten ihre Feindschaft zu den Tallensi-Opferern klar heraus. Mein Informant aus Kom sagte, dass man Tallensi-Opferer, die man in ihrer Sektion erblickte, fangen und verprügeln würde. Der Antagonismus zwischen tanggbana und ngiak-Schreinen zeigt sich auch auf ritueller Ebene. Von dem Pung-Muning-tanggbain in Wiaga-Badomsa ist allgemein bekannt, dass es die Tallensi nicht mag. „Es hasst (kisi) die Tallensi”, sagte mir der Sohn des Erdherrn, was einem Tabu (kisuk) gleichkommt. Direkt neben dem tanggbain wohnte bis 1993 der Wahrsager Akanming, der abstammungsmäßig zu einer Sektion des Dorfes Siniensi gehörte, die von Tallensi besucht wird. Akanming besaß auch in Badomsa einen ngiak-Schrein, dem nur er selbst opferte. Ständig trug er zwei Hörner um den Hals. Das eine war gefüllt mit Erde des Tallensi-Schreins von Tongo, das andere mit Erde von Pung Muning. Es war ihm jedoch streng verboten, bei Opfern an Pung Muning das ngiak-Horn oder bei Opfern an den ngiak-Schrein das Pung-Muning-Horn zu tragen.

Das Verhältnis eines teng/tanggbain zu anderen Bulsa-Erdheiligtümern liegt auf einer anderen Ebene als das zu dem fremden Tong-Schrein. Unter den ersteren besteht eine ziemlich scharfe Abgrenzung im territorialen Sinne und in der Zuständigkeit, und es wird höchstens die Macht eines Erdschreins im Sinne der Effizienz in Bezug auf Hilfen und Strafen diskutiert.

Die ngiak-Schreine hingegen verteilen sich über das ganze Bulsaland (und auch über die Gebiete der Nachbarethnien). Sie gelten alle nur als „Ableger” des großen Tongo-Heiligtums außerhalb des Bulsa-Territoriums. Jedes Jahr in den Monaten März / April ziehen Tallensi-Gruppen von Gehöft zu Gehöft, nicht nur um dort zu opfern, sondern auch um Opfertiere für das Tongo-Heiligtum einzutreiben. Früher wurden diese keineswegs immer ganz freiwillige Gaben in Herden nach Tongo getrieben, heute transportiert man sie auf Lastwagen ab.

Stärker als unter einheimischen Schreinen kann so zu dem fremdethnischen ngiak ein Konkurrenzverhältnis aufkommen, das durch ökonomische, religiöse und emotionale Beweggründe genährt wird.

Links: Der Schrein des Wiaga-Gehöfts Akanguli Yeri mit den Stricken geopferter Tiere.

Rechts: Der von den Tallensi mitgebrachte Schrein. Die Kalebasse enthält Erde vom

Tongo-Schrein.

Der Führer der Tallensi-Gruppe opfter in dem Wiaga-Gehöft Akanguli Yeri (Napulinsa) seinem Tongnaab einen Hahn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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